Operation gelungen, Patient fesch!

In meiner Jugend drängten die unteren Weisheitszähne hervor und verschoben meine Zähne so nach vorne, dass sie sich stapelten. Einerseits war dies ein gesundheitliches Problem, weil ich so die Zahnzwischenräume nicht ordentlich sauber halten konnte. Andererseits gewöhnte ich mir unbewusst an, beim Grinsen immer nur die obere Zahnreihe zu blecken. Bei aller meiner Offenherzigkeit mussten meine Gegenüber so häufig das Gefühl bekommen, dass ich nicht authentisch bin, etwas verstecke oder meine Freude vielleicht gespielt sein könnte.

Beginnend mit der Zahnärztin, welche meine Weisheitszähne extrahiert hatte, fragte ich meine Zahnärzte nach einer Lösung, aber immer bekam ich die Antwort, nur durch Ziehen von 1-2 gesunden Zähne genug Platz geschaffen werden könnte. Bei mir rangierte Gesundheit immer vor Eitelkeit und solch ein Opfer kam für mich nicht in Frage. Das wäre ja so also ob ich mir einen Körperteil amputieren lassen würde, nur um schöner zu sein …

Doch dann empfahl mir mein aktueller Zahnarzt, der übrigens die gleiche negative Meinung hatte, doch mal einen wirklichen Experten zu Rate zu ziehen. So pilgerte ich zum doppelten Doktor namens Jonke, der maß, rechnete und analysierte die Zahnlage in meinem Mund und teilte mir cool mit, dass dank einer neuen Zahnspangentechnik keine gesunden Zähne mehr geopfert werden müssen und das Ganze jetzt auch schon doppelt so schnell gehen würde.

Da gab es für mich kein Zögern, zehn Tage später hatte ich einen Draht auf den oberen Zähnen, vierzig Tage später auf den unteren. Mir war ein Horrorszenario angekündigt worden, dass ich beim Nachstellen immer tagelang nichts Festes essen könne, aber dies hielt sich sehr in Grenzen, meist tat es nur am selben Tag ein wenig weh. Schlimmer war für mich, dass mir zwei hervorstehende Stahlteile die Innenseiten der Wangen aufritzten, wenn ich viel redete. Kleine Wachskügelchen halfen mir zu Beginn, die scharfen Stellen zu entschärfen, wenig später hatten sich meine Wangen aber gewöhnt und waren weniger verletzungsanfällig geworden.

Zu Beginn

Im Rhytmus von jeweils zehn Wochen kam ich immer wieder zur Kontrolle, manchmal wurde nur ein stärkerer Draht eingeklippst, manchmal mußten einzelne Brackets versetzt werden, weil die Zähne dreidimensional an ihren Zielort dirigiert wurden. Schon nach zwei Monaten war die Veränderung in meinem Unterkiefer nicht mehr zu übersehen. Ich kam mir wie bei einem Rennen vor, fast so als würden die vier Kandidaten in der ersten Reihe um die Pole Position wetteifern.

51 Tage später

Ich hatte nach den Ankündigungen der Herrn Doktor eigentlich schon auf zahnspangenfreie Weihnachten gehofft, aber bei mehreren Kontrollen gab es immer noch eine Kleinigkeit auszusetzen. Doch am 22. April kam schließlich mein großer Tag. Erst machte mich Herr Jonke noch nervös, als er herumkontrollierte, aber dann gab er sein ok. Erst noch eine Feinjustierung am Spangen-Draht, dann wurden mir unten und oben über jeweils sechs Zähne ein feiner Draht geklebt, genannt “Retainer”. Die Entfernung der Brackets ging überraschend schnell, am längsten dauerte das Abschleifen der Klebereste und das grobe Wegpolieren der umliegenden Verfärbungen.

Retainer

Trotz aller eifriger Putzerei hatten sich bei mir von Tee und Kaffee ekelige dunkelbraune Farbflecken angesammelt. Deshalb hatte ich im Anschluss an die 90 Minuten Befreiungsaktion noch 60 Minuten Mundhygiene vereinbart. Um den Luxus von 110 EUR extra wurden meine Zähne von Zahnstein befreit, die Fissuren sandgestrahlt, alle Zähne poliert und abschießend zum Kariesschutz fluoridiert.

Drei Stunden, welch ein Unterschied!

Zahnspange da Zahnspange weg

Nächste Woche hole ich noch eine speziell gefertigte Nachtspange ab, die zusammen mit den innenliegenden Drähten verhindern soll, dass sich wieder etwas verschiebt. Auf die Frage, wie lange ich noch solche Hilfsmittel brauchen werde antwortete Jonke: “Mindestens ein Jahr, besonders brave Kunden tragen sie bis zu 3 Jahren.” Ich kann es nur auf mich zukommen lassen, statt mich über so ein Detail zu ärgern. Wichtig ist, dass mein Stahlgerippe weg ist und ich jetzt meine Freundin hemmungslos küssen und beissen kann.

Für die Nachtspange sind jetzt noch einmal etwa 360 EUR fällig, sonstige zukünftige Kontrollen gehen auf Krankenschein, sollte sich zum Beispiel der Draht lösen. Für die beiden Jahre Behandlungszeit mußte ich jeweils 3690 EUR bezahlen, was ich in monatlichen Raten abstotterte. Vor meinem aktuellen Job hätte ich mir solche Ausgaben überhaupt nicht leisten können. Ich wurde oft gefragt, warum ich nicht zu einem billigeren Kieferorthopäden gegangen bin, vielleicht zu einem im Ausland. Andere Leute würden sich um solche ein Geld ein Auto kaufen. Meine simple Antwort: für meine Zähne ist mir die beste mögliche Qualität gerade gut genug und nur der hohe Preis konnte mir garantieren, dass ich diese bekomme. Jetzt wo ich das Ergebnis täglich im Spiegel sehe, weiß ich, dass Jonke jeden Euro dafür wert war. Oder wie Ur-Großvater Pasching immer gesagt hat: “Ich kann es mir nicht leisten, billig zu kaufen”.

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